Ob aber da tatsächlich Photonen oder Elektronen und Materie und Strahlung vorhanden sind, ob alle diese Dinge tatsächlich existieren, darüber gibt es keine einheitliche Meinung.

  

John S. Bell in Köln am 14.05.1990


Die Ästhetik ist nicht das süße Gift zur Verschleierung der Welt, nicht das Narkotikum (Anästhetikum), das den Schrecken unsichtbar macht, sondern der Versuch einer präzisen Methodik, Realität in ihrer Ganzheit zu erfassen.

N. Pümpel Oktober 2023

 

 

 

1. Klagelied, 2023

 © Bildrecht Wien

 


In mir wächst eine diffuse Skepsis gegenüber rationalen Lösungsansätzen - mehr vertraue ich auf die irrationale Kraft des Formalen. Der Ästhetik ist mehr zuzutrauen als der reinen Vernunft.

 

Diese ambivalente Kraft der Ästhetik reizt mich - immer auch im Wissen um die narkotisierende oder blendende Macht des Schönen. Niemals sollte es das Ziel, die Ästhetik einzusetzen, um blind zu machen für die Abgründen, die überall lauern.

 

Analog zu einer intelligenten formalen Ästhetik denke ich an eine Ästhetik der Wissenschaften.

Daher sollte sich die Kunst nicht die Methodik der Wissenschaften aneignen, sondern die Wissenschaften die der Ästhetik.

 

Es gibt eine subversive Kraft des Ästhetischen.

N. Pümpel Juni 2023

 

 

 

detail aus einer Studie 2022

 © Bildrecht Wien

 



Das Repertoire der Politiker findet keine Lösungsansätze für die Probleme dieser Tage, da hilft es nur, mit Asche und Teer - ebenso aussichtslos - gegen den Wahnsinn anzumalen. Eine besondere Zukunftseuphorie mag nicht aufkommen.

N. Pümpel September 2022

 

 

 

Studie zu einem Klagelied, 2023

 © Bildrecht Wien

 



Ich richte alles an, um helle Bilder zu machen, aber sie werden schwarz.

N. Pümpel Mai 2022

 

 

 

No Spirit, No Flower, No Flame, 2022

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Einsteins Modell der Wirklichkeit scheitert an einer Katze.

N. Pümpel Oktober 2021

 

 

 

Several Lifes of an Imaginary Cat, 2023

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Kunst und Wissenschaft

 

 

Wenn man die Kunst als erweitertes Informationssystem sieht wird klar, dass sie selbst Wissenschaft ist.

 

 

Kunst handelt nicht von Wissenschaft, sie bebildert sie nicht, sie verdinglicht sie nicht und sie folgt nicht derselben Methodik. Sie ist Wissenschaft. Wenn Kunst einen Erkenntnisgewinn ermöglicht, dann als ein breit gefächertes, formales Bezugssystem. Ein Bezugssystem, das bewusste und unterbewusste, rationale und irrationale, methodisch erarbeitete und intuitive Aspekte als formale, optische Informationen zugänglich macht. Die Instrumente der Kunst sind: visuelle Strategien, Intuition und Imagination. Ein Erkenntniszugewinn durch Kunst inkludiert neben den rationalen Ebenen auch unterbewusste und emotionale; darurch unterscheidet sich Kunst von den klassischen Wissenschaften.

 

Wenn der aktuelle Kunstbetrieb immer wieder die Nähe zu den Wissenschaften sucht, sie thematisiert und sie sich einverleibt, sind dies sehr häufig dem Diktat der Mode unterworfene Strategien zur Bedeutungsaneignung, Kalküle zur Relevanzbeschaffung.

 

Wer der Wissenschaftlichkeit der Kunst gerecht werden will, der muss dem Informationssystem Kunst selbst einiges zutrauen, in erster Linie Intelligenz. Dabei scheint die Hauptschwierigkeit darin zu bestehen, Intelligenz losgelöst von logischen oder arithmetischen Bezugssystemen zu sehen und sie zu erweitern um formale oder sinnliche Parameter.

 

Kunst könnte man sehen als materialisierte Geistesleistung, Verdinglichung einer Imagination. Ihre Resultate sind menschliche Zeugnisse, die der Wissenschaft ebenbürtig sind und sie um eine sinnlich- emotionale Qualität bereichern.

 

Norbert Pümpel, 2020

  

 

Blumen auf Müll, 2023

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Das, was ein Bild zu sagen hat, sagt es selbst.

N. Pümpel 2016

 

 

 

Versuch Jenseits, 1990

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Es gibt da einen Aspekt des Naturwissenschaftlichen, fern ab jeder messbaren Exaktheit, ohne Determinismus und Logik. Evidenz und Berechenbarkeit stellen sich als Illusion heraus.

N. Pümpel 4.5.2013

 

Kondensat Q01 S019, 2013

 © Bildrecht Wien

 



... gleichzeitig aber stieg neben dem erkenntnistheoretischen Fortschritt das Potential alles Leben radikal auszulöschen. Neben dem Streben um Erhaltung, Sicherung und möglicherweise auch Verbesserung des Zustandes der Menschen am Globus entwickeln die Wissenschaften, zunächst in der Physik mit der Atombombe, später aber auch in der Biochemie und der Biologie ein noch nie dagewesenes Arsenal an prinzipiellen Möglichkeiten den Globus in eine leblose Wüste zu verwandeln. In jedem Algorithmus der Erkenntnis steckt die Grammatik der Zerstörung. Politische Strategien und die gängigen ökonomischen Praktiken lassen keine reale Hoffnung zu, dass das Gefahrenpotential schwindet.

N. Pümpel 2010

Ohne Titel, 2015

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Die Moderne taugt nicht zwingend zur Verbesserung der Welt. 

N. Pümpel 2009

 

Die Moderne taugt nicht zwingend zur Verbesserung der Welt, 2009

 © Bildrecht Wien

 



Das Netzwerk ersetzt den Diskurs, Erfolgsstreben den Inhalt und Taktik die Inspiration.

N. Pümpel 2009

 

 

 

 

Apricot Dawn, 2009

 © Bildrecht Wien

 



Der Zufall ist Gegenspieler des Faktischen und die Wahrscheinlichkeit ist seine Grammatik. Hier wird nicht eine Welt konstruiert sondern ihre Logik dekonstruiert.

N. Pümpel 2006

 

Dekonstruktion, 2006

 © Bildrecht Wien

 



Die Wahrnehmung der Welt funktioniert ästhetisch. Alles, was ist, bestimmt indem es ist und als Welt erfahren wird, diese ästhetische Funktion.

Alles ist bedeutend oder unbedeutend gleichermaßen.

 

Die Ästhetik ist die Grammatik der Weltaneignung.

N. Pümpel 2002

 

Sedan Crater Project, 2008

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Realität ist mindest exakt.

Exakt heißt nicht scharf.

Realität ist unscharf.

Den Grad der Exaktheit bestimmt die Anzahl der Samples, die der Fall sind. Den Grad der Schärfe bestimmt die Anzahl der Samples, die erwartungsgemäß der Fall sind. Exakt sind aber auch Fälle, die einer Prognose nicht entsprechen. Paradoxa sind exakt.[1]

Den Grad der Wahrscheinlichkeit bestimmt die Anzahl der Samples, die einer Prognose nicht entsprechen. Aussagen über die Welt sind Wahrscheinlichkeitsaussagen über Versuche und Bestätigungen oder über Prognose und Entsprechung. Aber unabhängig davon, ob das Ereignis bereits geschehen ist, oder erst geschehen wird, betrachten wir es als wahrscheinliches Ereignis. Die Betrachtung der Welt bleibt in jedem Fall eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung.

Die Welt entspricht in vielen Fällen nicht den Prognosen.[2] Auch sind viele Fälle im Prinzip nicht prognostizierbar.[3] Das Maß der Fälle, die einer Prognose nicht entsprechen und das Maß in dem Prognosen prinzipiell unmöglich sind, ist auch das Maß für die Unschärfe von Wahrscheinlichkeitsaussagen oder: für die Wahrscheinlichkeit der Welt. Diese Wahrscheinlichkeit ist unscharf aber exakt. Es gibt kaum wissenschaftlich haltbare Prognosen über einen Zustand im Universum der dem gleicht, den wir kennen, geschweige denn Prognosen darüber, dass Teile des materiellen Universums sich so organisieren, dass sie selbst über dieses Universum nachdenken können.[4]

Wenn wir von Prognose und Bestätigung sprechen, sprechen wir von Zeitläufen.

Diese Zeitläufe sind exakt aber nicht scharf.

Das heißt: nicht immer linear und nicht immer unumkehrbar.

Die Zeit ist unscharf, vielleicht zwei- oder mehrdimensional.

Die lineare Ausbreitung der Zeitlichkeit auf einer Achse mit den Bereichen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und die Unumkehrbarkeit aller temporären Prozesse müssen im Lichte einer quantentheoretischen Nicht- Lokalität[5] neu beurteilt werden.

Die Fragen der Prognostizierbarkeit und der Determiniertheit, damit auch die Frage, ob die Konstruktion der Wirklichkeit folgt, oder die Wirklichkeit einem Konstruktionsmodell sind damit letztlich ohne Bedeutung.[6]

 

N. Pümpel 2002

in: Kraftwerk peripher, Band 2 Hg Christoph Bertsch

Ausstellungskataloge Institut für Kunstgeschichte Universität Innsbruck, 2004

 

 

 

 

 

[1] Das Einstein- Podolsky- Rosen- (EPR) Paradoxon 1935; John S. Bell „Raffiniert ist Gott, aber boshaft ist Er nicht (Einstein) – Wirklich nicht? Ein Gespräch, in: Hans Thomas (Hg) Naturherrschaft, Wie Mensch und Welt sich in der Wissenschaft begegnen, Köln 1990 S. 277 ff.; vergleiche auch die Untersuchungsergebnisse in: Alain Aspect, Jean Dalibard, Gerard Roger; Experimental Test of Bell’s Inequalities Using Time – Varying Analyzers; Phys. Rev. Letters, Vol. 49, No. 25 20. Dec. 1982, S. 1804-1807

[2]  Karl R. Popper führt in „Ausgangspunkte“ (Hoffmann und Campe, Hamburg, 1984,) auf Seite 131 die Hauptgründe an, die gegen einen physikalisch begründeten Determinismus sprechen. Vgl auch.: Erwin Schrödinger, „Science, Theory and Man”, New York, Dover Publications, 1957

[3]  Vgl.: u.A. die Unschärfenrelation Heisenbergs in: Werner Heisenberg >Die Unbestimmtheitsrelationen<  in: Physikalische Prinzipien der Quantentheorie, Bibliographisches Institut Mannheim,  1958 S. 9 und S. 36ff., Schrödingers Katzenparadoxon in: Erwin Schrödinger, Die Gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik; Die Naturwissenschaften, Jg. 23, Heft 48, 29. 11. 1935 S. 807-849;

[4]  „Man kann annehmen, dass sich das gesamte Universum gegenwärtig in einem sehr unwahrscheinlichen Zustand befindet. …“ in: Ludwig Boltzmann „Zu Herrn Zermelo’s Abhandlung >über die mechanische Erklärung irreversibler Vorgänge<“, Wiedemannsche Annalen (Annalen der Physik), 60 1897, 392-98, Zitat S. 396;

[5] „Warum sollen wir uns also beunruhigt fühlen, wenn wir nun entdecken, dass da eine bestimmte Nicht-Lokalität im Spiel ist.“ John S. Bell a.a.O. S. 288f.

[6] Auf den Bildern aus der Serie Part of Universe Reflecting Part of Universe sind jeweils die Daten der Entstehung (li.: Beginn, re.: Fertigstellung des Bildes) vermerkt, sowie Bezugnahmen auf andere Bilder, sowohl im Sinne einer Reflexion (Reflecting …), als auch im Sinne einer Prognose (Expecting …). Der Grad der Determiniertheit und der Zusammenhang: Konstruktion  - Wirklichkeit – Destruktion, sowie die Verknüpftheit der Bilder untereinander und mit dem betrachtenden Subjekt sind immanent.

 

Die Wirklichkeit ist eine Konstruktion (Detail), 2007

 © Bildrecht Wien

 

Atelier 1, Hohenems Otten Areal am 9.1.2013